Immer mehr Übernahmen: Ausverkauf im Mittelstand - Wirtschaft - Stuttgarter Nachrichten

2021-12-17 03:17:24 By : Ms. Olivia Duan

Übernahmen heimischer Unternehmen durch ausländische Investoren nehmen zu - IG Metall macht die Landespolitik für die Entwicklung verantwortlich.

Stuttgart – Emag, Putzmeister, Schuler, Metabo, Sunways, Schiesser – die Liste der einheimischen Unternehmen, die allein in den letzten zwölf Monaten in ausländische Hände übergegangen sind, ist lang. Am vergangenen Donnerstag kam ein weiterer Name hinzu: Mit Gehring Technologies, einem wichtigen Zulieferer für die Automobilindustrie mit Sitz in Ostfildern, wurde ein weiterer Technologieträger verkauft - unter anderem an Penta, einen Investor mit Sitz in Prag und Bratislava. Stimmen die Kartellbehörden zu, werden 75 Prozent der Gehring-Aktien vom bisherigen Münchner Eigentümer Stargate Capital auf Penta übertragen, wie die Unternehmen mitteilten. Penta sagte, es wolle langfristig nachhaltiges Wachstum erzielen. Mark Hüsges, Partner bei Stargate Capital und Managing Director bei Gehring, betont, dass sich für Mitarbeiter und Kunden „nichts ändern wird“.

Dennoch ist der neue Eigentümer aus Tschechien für die IG Metall nur eine zweite Wahl. „Unternehmen wie Penta wollen den Unternehmenswert steigern und das Unternehmen irgendwann weiterverkaufen“, sagte der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Esslingen, Sieghard Bender, unserer Zeitung.

Er hätte eine Lösung unter Beteiligung des Staates bevorzugt. „Hier ist die Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern größer“, sagt Bender. Doch anders als beispielsweise Bayern zieht sich Baden-Württemberg zunehmend aus der Mittelstandsfinanzierung zurück. Früher bestand ein Grundkonsens, Unternehmen im Land in Ausnahmesituationen mit Überbrückungskrediten oder günstigen Krediten auszuhelfen. „Das gibt es nicht mehr“, sagte Bender. Die klassischen staatlichen Instrumente wie die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) oder die Stuttgarter Unternehmensbeteiligungsgesellschaft BWK, die zu 40 Prozent im Besitz der Landesbank Baden-Württemberg ist, erfüllen ihren Auftrag nicht mehr. Wenn überhaupt, sind die meisten nur in Unternehmen eingetreten. Unternehmen durch Minderheitsbeteiligungen von weniger als 50 Prozent zu helfen, wäre selten.

"Das Land bietet heute nicht genügend Instrumente, um Industrieunternehmen bei Kapitalbedarf zu helfen"

Auch kleine Anfänge können sich zu Erfolgsgeschichten entwickeln. 1997 erwarb BWK beispielsweise 18,65 Prozent des IT-Dienstleisters Bechtle. Als die Aktien Mitte 2011 wieder verkauft wurden, hatte sich der Umsatz des Unternehmens fast vervierfacht. Bereits 1995 erwarb BWK 36 Prozent des Nürtinger Werkzeugmaschinenherstellers Heller. Der Firma geht es heute gut.

Diese Beispiele liegen in der Vergangenheit. „Das Land bietet heute nicht genügend Instrumente, um Industrieunternehmen bei Kapitalbedarf zu helfen“, fasst Bender die Situation zusammen. Zumindest für Gehring, der in diesem Jahr 130 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften will, gilt dies. Das auf die Zylinderbearbeitung mit Honmaschinen spezialisierte Unternehmen aus Ostfildern wollte eigentlich mit BWK Geschäfte machen, um das Wachstum zu finanzieren. „Wir haben Verhandlungen geführt und hätten gerne nur eine Minderheitsbeteiligung verkauft“, sagt Gehring-Geschäftsführer Hüsges. Ohne Erfolg.

"Die Zahl der Unternehmen in chinesischem Besitz wird weiter zunehmen"

Daher werden vermehrt Investoren oder Fonds aus dem Ausland eingebunden. Erst im Juni dieses Jahres hat beispielsweise der Nürtinger Elektrowerkzeughersteller Metabo mit Checkers Capital einen französischen Investor zur Finanzierung seines Wachstums an Bord geholt. „In der Vergangenheit wäre dies von einer Beteiligungsgesellschaft im Land übernommen worden“, sagt Bender, der zudem befürchtet, dass ausländische Investoren langfristig zu einem Know-how-Abfluss führen. Nach der Übernahme des Betonpumpenherstellers Putzmeister oder des Solarzellenherstellers Sunways nimmt der Einfluss chinesischer Investoren im Land zu. „Die Zahl der Unternehmen in chinesischem Besitz wird weiter wachsen“, sagt Bender. "Es droht ein Ausverkauf."

Völlig offen ist hingegen, was der Eigentümerwechsel bei Gehring für eine Staatsbürgschaft in Höhe von mindestens fünf Millionen Euro bedeutet, die dem gerade aus der Insolvenz gekommenen Unternehmen nach Angaben in unserem Zeitung. Auf Nachfrage gibt das Stuttgarter Wirtschaftsministerium, das die Übernahme der Bürgschaft für Gehring nicht offiziell bestätigt, nur eine pauschale Antwort: Bei einem Eigentümerwechsel habe das Land immer ein Kündigungsrecht, sagte ein Ministeriumssprecher .